„Mehr als alte Brotspinnen“

Zehn Brotspinnen im Alter zwischen 19 und 85 Jahren aus Bielefeld, Brakel und Höxter teilten am Sonntag, 1. Dezember um 15:30 Uhr in der Brakeler Jugendfreizeitstätte Heimlichkeiten aus. Sie führten die Premiere ihres selbst entwickelten, inklusiven Theaterstücks „Mehr als alte Brotspinnen“ auf. Mit dem „Mehr“ war die Möglichkeit gegeben, dass auch zwei Brotspinner mitspielen konnten. Und wer es noch nicht weiß, mit Brotspinnen bezeichnet man alte Frauen oder auch Schachteln, die ihre Nase gerne in Angelegenheiten stecken, die sie nichts angehen.
Es ging in dem Stück also um Klatsch und Tratsch, um Geheimnisse und Lügengeschichten, um Herzensangelegenheiten und wichtige Neuigkeiten. Wie im wirklichen Leben wurde über andere Menschen ausgiebig gelästert. Wem gelingt es schon immer alles offen und ehrlich anzusprechen? In diesem Sinn spiegelte des Stück die Realität eines Miteinanders, das möglicherweise schon seit Menschengedenken besteht. Bei Punsch, Glühwein, Tee, Weihnachtsgebäck und Stullen wurde das Publikum in ein Netz aus Herzschmerz, Offenbarungen und Überraschungen verstrickt.
Auf der Bühne wurde eine Szene in einem Café aufgeführt. Zwei Mitspielende verschütteten Kaffee und freuten sich darüber, dass im großen Saal zum Glück kein Teppich liegt. So konnte die Reinemachfrau schnell alles wieder aufwischen. Sie war mit ihrem Putzwägelchen im Saal unterwegs. Vor der Bühne war die Kulisse eines Friseursalons aufgebaut. Es waren sogar eine alte lilafarbene Frisierhaube, ein Frisierkopf und bunte Lockenwickler organisiert worden. Eine Brotspinne frisierte mit Kamm und Schere fleißig eine Kundin aus dem Publikum.

Aber die eigentliche Bühne für dieses Theaterstück befand sich vor dem großen Spiegel. An einem langen Tisch wurde zunächst in Gemeinschaftsarbeit eine Gerüchtesuppe zubereitet. In diese Suppe wurde das alte Brot getunkt, damit es noch genießbar war. Während der Kochzeremonie wurde einer hübschen jungen Sängerin eine Affäre mit einem König untergejubelt. Eine vergnügliche Szene, bei der viel Fantasie und Wortspielerei zum Einsatz kam. Aber auch ernste Töne wurden angeschlagen. So kam das Thema Gewalt auf den Tisch. Ein Ehemann gab angeblich sein ganzes Geld in einer Kneipe aus. Er sollte seine Frau und seine Kinder misshandelt haben.
Das absolute Highlight war der Leichenschmaus. Eine Schwiegermutter war verstorben und hatte ihren Kindern ein Testament hinterlassen. Das Testament wurde aus einem riesigen Briefumschlag hervorgezaubert und von einer Tochter verlesen. Es hatte einen anderen Inhalt als die Kinder erwartet hatten. Wie mitunter im wirklichen Leben bekam der Sohn, der sich am wenigsten um die Mutter gekümmert hatte, das gesamte Erbe. Er saß immer nur faul auf dem Sofa herum und hatte dabei zugesehen, wie andere Geschwister geholfen haben. Ihm wurde auch noch unterstellt, dass er eine Affäre hatte.

Der Saal in der Jugendfreizeitstätte war so gestaltet, dass eine Kaffeehausatmosphäre widergespiegelt wurde. Das Publikum saß an kleinen und großen festlich gedeckten Tischen. Mit der großartigen Lichtanlage der Theaterwerkstatt Bethel und Kerzenschein wurde eine weihnachtliche, behagliche Atmosphäre geschaffen. Das Projekt wurde vom muvi e.V. in Kooperation mit Ninja Bröker (Jugendfreizeitstätte Brakel) sowie Laura Kreuzer und Nicole Zielke (Theaterwerkstatt Bethel) erfolgreich umgesetzt. Es wurde mit einer großzügigen Förderung durch die Postcodelotterie ermöglicht. So konnte ein Beitrag für gelebte Inklusion geleistet werden.